Als ich schwanger war, wusste ich sofort, ich möchte meinen Sohn stillen. Ich habe zwar einige Ratgeber, die ich in die Handgedrückt bekommen habe, gelesen und auch ein paar weitere Infos auf Websiten gegoogelt, aber wirklich vorbereitet auf das was mich erwartet habe ich mich nicht. Ich dachte stillen klappe ganz automatisch, einfach intuitiv, es ist schließlich das Normalste auf der Welt. So geht es wahrscheinlich den meisten Frauen. Als der Herzbub dann auf der Welt war und es nicht auf Anhieb klappte, spürte ich so einen Druck auf mir lasten. Ich hatte wahnsinnige Angst zu versagen und dachte ich muss es allein schaffen!
Früher gab jede Generation ganz spielerisch, die Informationen an die nächste weiter. Man konnte beim stillen, wickeln und co. beobachten. Es war das normalste der Welt: die Kindererziehung und -pflege. Auch war es selbstverständlich, dass Kinder einen Platz in der Gesellschaft hatten und die frischgebackenen Eltern rund um die Uhr unterstützt werden. All das ist heutzutage ganz anders: „Bloß nicht in der Öffentlichkeit stillen. Was? Dein Kind schreit! Bleib doch einfach zu Hause mit dem Balg.“
Wie sollen sich Eltern auf das vorbereiten, was auf sie nach der Geburt ihres Babys wartet? Kinder wurden aus der Gesellschaft verdrängt und werden nur noch als nervtötend, zu laut und belastend angesehen. Kein Wunder also, dass all die wichtigen und nützlichen Informationen der vorherigen Generation nur noch hinter vorgehaltener Hand oder gar nicht mehr weitergegeben werden (können).
Das erste Stillen nach der Geburt – unsere Geschichte
Nach der Geburt, die so anders und trotzdem so kraftvoll war, versuchte mir die Geburtshebamme meinen Sohn sofort anzudocken. Sie zog an meiner Brust und versuchte sie ihm in den Mund zu pressen. Das klappte natürlich nicht auf Anhieb und ich hatte schon von da an Schmerzen beim nächsten Anlegen. Der erste kleine Dämpfer saß. Wieso funktioniert das denn nicht? Ihre Aussage wir sollen es später versuchen, wenn wir uns beide von der Geburt erholt hätten.
Ich war so müde, dass ich tatsächlich an nichts anderes als schlafen denken konnte. Bis ich ihn wieder anlegte, weil ich nach Stunden endlich wach geworden bin, waren also mehrere Stunden vergangen. Damals hatte ich auch noch die irrwitzige Vorstellung jemand würde sich um uns kümmern, uns den Start zeigen und helfen. So ganz allein auf meinem Isolierzimmer saß ich da und versuchte mein Baby irgendwie an meine Brust zu bringen. Ich hatte sofort Schmerzen beim Stillen, denn er war nie richtig angelegt.
Als dann nach Stunden jemand kam und sich uns beide von der Ferne aus ansah, winkte sie sofort ab und sagte, dass ich alles richtig mache und es Zeit braucht bis sich die Brustwarzen an das Stillen gewöhnen. Mit den Worten „einfach weitermachen“ zog sie die Tür hinter sich zu. Bei der U2 stellte sich heraus, dass die Bilirubinwerte bereits erhöht waren. Der Kinderarzt sagte mir, dass Flüssigkeit jetzt ausschlaggebend wäre und schickte mich, wenn ich auf eigene Verantwortung nach Hause gehen möchte zum Kinderarzt.
Die Schmerzen blieben und ich war bereits mehrmals am Weinen. Ich hatte mittlerweile richtige Panik vor dem nächsten Stillen, sobald mein Sohn die ersten Hungerzeichen sendete, gingen bei mir die Alarmglocken an und ich machte meinen ganzen Körper steif. Ich wusste so ging es nicht weiter, aber aufgeben wollte ich auch nicht. Also legte ich meinem Mann das Baby auf die Brust und zog los.
Beim Kinderarzt organisierte ich mir ein Rezept für die Milchpumpe, die ich mir aus der Apotheke auslieh, und kaufte mir im nahegelegenen Drogeriemarkt Stillhütchen. Das Anlegen der Stillhütchen ist eine Wissenschaft für sich. Es erfordert Übung und ist einfach nur absolut nervig. Das fand auch mein Sohn. Aber die Schmerzen wurden besser und ich konnte mich so langsam entspannen. Auf meinen Milcheinschuss wartete ich hier noch vergebens. Dabei hatte ich doch im Geburtsvorbereitungskurs gelernt, dass das 2-4 Tage nach Geburt passiert.
Weitere Komplikationen, die den Stillstart erschweren
Die Entspannung über die Tatsache, dass sich meine Brustwarzen ganz langsam erholen, hielt nur kurz. Der Anruf vom Kinderarzt mit den Worten: „Kinderklinik! Sofort!“ wegen der Neugeborenengelbsucht brachte meine Gefühlswelt erneut zum Einstürzen. Die Frage bei der Patientenaufnahme, ob ich stille, hatte ich noch mit stolzer Brust bejaht. Nach der Patientenaufnahme wurde mein Sohn an eine ganze Apparatschaft angeschlossen. Füßchen, Kopf und Brust wurden verkabelt.
Der Bilirubinwert war wahnsinnig hoch, das bedeutete er litt unter Neugeborenengelbsucht. Keine Seltenheit, aber es muss durch eine Phototherapie behandelt werden. Er musste eine Brille aufsetzen, damit seine Augen nicht durch das Licht geschädigt werden. Die Lichtstrahlen, unter denen mein Sohn 24h liegen musste, helfen dem Körper das Bilirubin abzubauen und so ausscheiden zu können. 24h unter diesem Licht!
Die Anweisung der Ärzte war klar, außer zum Stillen nicht rausnehmen. Wie auch? Mit all den Kabeln und Monitoren an dem kleinen Körper. Ich war maßlos überfordert und wurde erneut allein gelassen. Isolierzimmer. Ich traute mich nicht mehr meinen Herzbuben rauszunehmen, schließlich wollte ich nicht die Behandlung stören, und ich hatte Angst mit dieser riesigen Nadel in dem kleinen Köpfchen. Ich spendete ihm permanent Nähe, ich hielt seine Hand, streichelte ihn und sang bzw. erzählte die ganze Zeit.
Ich fragte eine Kinderkrankenschwester nach einer Milchpumpe und einem Fläschen, das war für mich in der Situation die letzte Möglichkeit mein Kind mit meiner Milch, meiner Muttermilch zu versorgen. Für den Moment hatte ich das ganze Thema stillen abgehakt. Er trank, das war das wichtigste in dem Moment. Bei jedem weiteren Abpumpen bemerkte ich wie sich das Kolostrum (die erste Milch) langsam heller färbte, meine Brüste spannten und in dieser Nacht war er plötzlich da. Der Milcheinschuss. So konnte ich mein Kind das erst Mal mit ausreichend Milch versorgen, die er jetzt so dringend nötig hatte.
Die Behandlungszeit war Gott sei Dank irgendwann ohne weitere Zwischenfälle zu Ende, die Laborwerte waren gut, nach diesen mir unendlich vorkommenden 24h und weiteren unnötigen Stunden aufgrund lästiger Wartezeiten durften wir nach Hause. Mir war klar, dieses Abpumpen, Auswaschen und Fläschchen geben, war mir zu anstrengend. Ich wollte die Einfachheit des Stillens, ich wollte mein Kind an meiner Brust nähren, und zwar ohne Hilfsmittelchen. Ich tat also endlich das was ich schon in der Schwangerschaft hätte tun sollen, ich kontaktierte eine Stillberaterin. Sie zeigte mir das richtige Andocken und noch ein paar Kniffe zur bequemen Lagerung des Kindes und mir selbst während dem Stillen.
Endlich! Endlich klappte es ohne Schmerzen, ganz einfach und unkompliziert! Mit ein wenig Hilfe, die man sich ganz leicht besorgen kann. Für mich war dieser Weg nicht leicht und ich fühlte mich kurzfristig wie der größte Versager. Hätte ich Hilfe gehabt, wären wir ohne Hütchen, Pumpen und Schmerzen ausgekommen, da bin ich mir ganz sicher.
Ich kann euch nur eins ans Herz legen, kämpft für eure Träume und für eure Kinder! Nach den anfänglichen Problemen stillten wir insgesamt 14 Monate. Für uns beide war das Abstillen kein Problem, da wir es ganz behutsam und langsam gemacht haben. Wenn ich jetzt auf die Zeit zurückblicke, hätte ich allerdings gerne noch länger gestillt. Ich bin jetzt schon gespannt, wie sich die Stillbeziehung zu meinem Bauchzwerg aufbaut und anfühlt. Wie lange werden wir wohl stillen? Denn stillen werden wir auf jeden Fall!
Die besten Tipps von mir für dich:
- Informiere dich bereits in der Schwangerschaft ausführlich über das Stillen, ich kann jedem nur den Besuch eines Stillvorbereitungskurses ans Herz legen
- Wenn du noch schwanger bist, schau dir Videos zum Thema Breastcrawl an. Neugeborene Babys sind bereits so kompetent, dass sie innerhalb der ersten Stunde ganz alleine von einer Liegeposition auf deinem Bauch zu deiner Brust kommen und korrekt andocken. Es lohnt sich also diese Stunde abzuwarten, dem Kind und dir Zeit zu geben. Untersuchungen können auch auf später verschoben werden, sollte kein dringender Notfall vorliegen. (Am besten in den Geburtsplan mit aufnehmen und bei der Anmeldung besprechen) Oftmals ist es der Klinikalltag, der den Ablauf bestimmt, darauf musst du dich aber nicht einlassen.
- Besorge dir ein kleines festes Stillkissen. Die großen, weichen Stillkissen sind zwar gut fürs Schlafen in der Schwangerschaft, aber zum andocken brauchst du einen festen Untergrund, der dein Kind optimal stützt
- Kopf, Schulter und Hüfte deines Kindes sollten in einer geraden Linie verlaufen ohne in sich verdreht zu sein. Der Bauch deines Kindes sollte immer an deinem Körper anliegen.
- Frag deine Hebamme nach einem Bondingbad. Dieses Bad soll das Bonding zwischen euch unterstützen und ahmt das auf die Welt kommen aus dem Mutterleib nach. Ein Andocken direkt im Anschluss, wenn ihr beide komplett nackt kuschelt ist einfacher.
- Schaffe dir ein Stillnest: hier hast du alles in Griffnähe, was du brauchen könntest (Trinken, wertvolle Snacks, Mulltuch, Stillkissen, eine Decke für dich, dein Handy/Fernbedienung/ein gutes Buch) an einem bequemen und ruhigen Ort
- Achte auf deine Stillposition, um Verspannungen zu vermeiden.
- besorge dir professionelle Hilfe, wenn du nicht weiterkommst. Auch viele Hebammen haben sich nicht auf das Stillen spezialisiert, deswegen macht eine Stillberatung oftmals mehr Sinn!
- treff keine vorschnellen Entscheidungen, weil es gerade anstrengend ist oder dich jemand von außen (egal ob Mama, Freundin oder sogar dein Partner) beeinflusst. Nur du und dein Kind entscheidet über euren gemeinsamen Weg.
- und der wichtigste Tipp: Gebt euch Zeit und nutzt jede freie Zeit für Körperkontakt, das schüttet Oxytocin aus. Eure (Still-)Beziehung muss genau wie jede Beziehung erst einmal wachsen, das Kuschelhormon Oxytocin hilft euch dabei.